Auszug aus der Magistarbeit von Christiane Benzenberg:
Denkmäler für die Widerstandsgruppe »Weiße Rose« in München und Hamburg.
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Das Denkmal von Gerd Stange beruht ganz auf privater Initiative. Die Idee, das Überwinden der bürokratischen Hürden und die Installation sind auf das Engagement Gerd Stanges zurückzuführen. Bemerkenswert ist die umfangreiche Mitarbeit und Unterstützung des Künstlers durch Freunde und Anwohner. Besonders sind hier Siegfried Jörns und die Besitzer des Café Borchers aufzuführen.
Reale Gegenstände, Fundstücke und vom Künstler gefertigte Objekte sind neu miteinander in Konfrontation gestellt. Diese, vom Künstler geschaffene Szene, ist in der Erde versenkt. Sie ist dem Betrachter entrückt. Die Anschauung ist nur von oben möglich, man muß sich bücken, um die Gegenstände im Schacht erblicken zu können. Ein direkter Kontakt zu den Objekten wird durch die Glasscheibe verhindert. Die Trennung von Betrachter und Objekt erinnert an die übliche Situation im Museum. Das versenkte Denkmal erinnert an ein Grab. Dieser Eindruck wird durch die rechteckige Form des Schachtes unterstützt.
Der Titel „Verhörzelle“ wird dem Betrachter durch den Stuhl, den schmalen Schacht und die kalte Beleuchtung schnell klar. Die zur Sicherung angebrachten Eisenstäbe, die das Betreten der Installation möglich machen, wecken zusätzlich die Assoziation einer Gefängniszelle. Die eingekesselte Position des Stuhls löst beklemmende Gefühle aus. Dieser Effekt ist durch die Versenkung ins Erdreich noch verstärkt. Die versenkte „Verhörzelle“ erinnert an reale Verhör- und Folterkeller. Die Gestapo verfügte über zahlreiche dieser „Räumlichkeiten“. In Berlin erinnert seit 1987 die Dokumentationsausstellung „Topographie des Terrors“195 in einem Teil der Kellerräume des ehemaligen „Reichssicherheitshauptamtes“ an die Greueltaten der Nationalsozialisten. Die versenkte Installation nimmt die Tatsache auf, daß diese Taten im Verborgenen geschahen.
Verborgen bleibt auch die Auseinandersetzung mit diesem Abschnitt der Historie. Das Denkmal verweist somit auf die Art von Geschichtsbewältigung. Gerd Stange legte Historie frei; er riß eine Wunde auf.
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