Mein Bericht in der Januar/Februarausgabe ... 2013 im PianoNews Magazin
Pooyan Azadeh- ein Pianist aus Teheran
Hamburg am 12. Mai 2012: Im Blauroter Stühlesaal von Klavier Knauer
Mein unvergesslicher Musikabend mit dem iranischen Pianisten Pooyan Azadeh aus Teheran
Hamburg (Germany) - Am 12. Mai 2012 um 20:30 Uhr konnte ich erstmals Pooyan Azadeh erleben, wie er auf zwei Flügel im Veranstaltungsraum (Blauroter Stühlesaal, Klavier Knauer) präludierte. Ermöglicht hatte dies Maria Venne vom Ethnologischen Institut in Leipzig, die ein interkulturelles Projekt betreute, das sie auf einer Studienreise in die iranische Hauptstadt Teheran angeschoben hatte. Höhepunkt dieses umfassenden Projekts war eine Ausstellung im Völkerkunde-Museum Hamburg über Irans Nomaden, darunter die Sangesar, die im Norden des Landes leben.
Die Sangesari haben eine eigene Sprachkultur, die bis in die Antike zurückreicht. Kaum bekannt ist, dass dieser Normadenstamm eigene musikalische Rhythmen entwickelt hat und diese traditionell spielt. Pooyan Azadeh hat sich über Jahre mit diesen Klängen befasst und sie auf Tonband aufgenommen, um sie anschließend auf dem Piano umzusetzen. Das Klavier muss auf einem Viertelton gestimmt werden. In der persischen Musik werden die Oktaven in Vierteltöne geteilt.
Pooyan zeigte mir, wie er das Klavier stimmt - und ich war neugierig auf das Resultat. Ich nahm ein Stimmgerät und kontrollierte seine Vorgaben und das Gerät zeigte 45 Cent auf einer Stimmhöhe von 440 HZ Kammerton A. Bemerkendswert! Pooyan glitt mit seinen Fingern über die Tasten. Mitgerissen von diesen traditionell persischen Klängen lauschte ich gebannt, still und neugierig. Fast wie ein ungeduldiges Kind saß Pooyan vor dem Flügel und wartete darauf, endlich mit dem Spiel anfangen zu können. Diese Lust, ja Besessenheit des Künstlers hatte etwas Berührendes, es verzauberte mein Herz.
Vor seinem Auftritt bei Klavier Knauer fragte mich Pooyan, ob ich ihm seine Krawatte binden könne. Er hatte sich kurz zuvor ein weißes Hemd gekauft. Er gab mir den Binder und ich versuchte verzweifelt, aber vergeblich, eine Krawattenschleife zu legen. Ich hatte vergessen, wie man eine Krawatte bindet. Erlöst wurden wir beide glücklicherweise durch weibliche Hilfe, ein Trost.
Zu meiner Erinnerung an diesen großartigen Menschen zählt auch sein Koffer mit all den vielen schweren Büchern. Ein Kofferträger, nach dem Pooyan fragte, war nicht aufzutreiben. Was blieb mir anderes übrig als die Rolle des Kofferträgers für ihn zu spielen. Es war eine filmreife Situation zum Schmunzeln.
Zurück zur Veranstaltung im Hause von Klavier Knauer: Nach einem kurzen Willkommensgruß übergab ich das Wort an Maria Venne, um diesen besonderen Konzertabend zu eröffnen und um endlich Pooyan Azadeh zu hören. Erwartungsfrohe Spannung lag in der Luft. Das Publikum, darunter etwa ein Drittel Iraner, saß gespannt in den roten Stuhlreihen. Eine erfahrende Filmemacherin begleitete das Ereignis mit ihrer Kamera - das Objektiv auch auf die Hände Pooyans gerichtet - und porträtierte Pooyan aus verschiedenen Perspektiven.
Die Klänge, die Pooyan zauberte, eine Interpretation von Morteza Mahjubi, Javad Maroofi und Ali Tajvidi schienen wie aus Spieluhren zu kommen - so verspielt, so klar und so friedlich und auch manchmal voller heiterer Freudenklänge wie bei einem Folkloretanz. Die Entspannung der Musikfreunde im Publikum war geradezu sichtbar. Klänge übergossen unsere müden Gesichter - Gesichter aus einer eher harten spröden Arbeitswelt - entspannten Geist und Körper. Ich konnte sehen, wie das Publikum diese beschwingte Atmosphäre genoss. Diese Gesichter wurden sanft als ob die Haut mit Mandelöl übergossen wurde und sich ein neues Hautkleid ergab -. So genoss ich diese Veränderungen bei unserem Publikum.
Als Pooyan in den tiefen Lagen auf dem im Viertelton gestimmten Instrument seine eigenen Werke spielte (die vertonten Klänge der Sangsari) kamen in mir andere Bilder und Stimmungen hervor: Ich sah wie Pferde im Galopp stampfend die Erde berührten - und andere Trommelklänge sich darin mischten. Ich hatte den Eindruck, dass er ganz bewusst durch seine Klänge Bilder in uns hervorrufen wollte - dass auch wir seine Welt der Künste verstehen sollen. Ein Streben, das wohl schon aus seiner frühen Kindeswelt stammte, jener Reichtum - an Klänge und Bilderwelten auch in unsere Köpfe zu spielen.
Eine Vision tat sich mir auf: Ich sah Derwische drehen, deren Gewänder - in immer größer werdenden Wellen - hinauf und hinunter wallten, in weißen Kleidern kreisend bewegt durch Pooyans Spiel, anders als eine Spieluhr aus verträumter Kinderzeit.
Napoleon brachte einst das erste Klavier nach Persien - und Pooyan Azadeh brachte mir an diesem Abend als Erster Klänge ins Bewusstsein, die nicht nur aus einem Mix"westlicher und östlicher Musik" bestehen; er zeigte mir vielmehr, dass seine "persischen Klänge" - Musik ist, die wir in uns längst verloren Wissen und sie für uns an die Oberfläche hebt. Der westliche Musiker der Klassik sucht auf anderen Ebenen (oberhalb der Zwölftonmusik). Diese Notationen bringen eher Kopfgeburten, das Kind in uns aber müssen wir wieder finden.
Gerd Stange Klavier Knauer Hamburg Germany
Pooyan Azadeh Ein Pianist aus Teheran
12. 05. 2012 20 : 30
Klavier Knauer
Holstenstrasse 167
22765 Hamburg
Einleitende Worte : Gerd Stange
Anmerkung zum Klavier von Dr. Sam Vaseghi, 5. Oktober 2013
Napoleon schenkte einst 1835 dem damaligen König von Iran, Fath Ali Shah (bekannt als Khagane Maghfur) aus der Ghajar Dynastie, ein weißes Klavier.
Das Klavier wurde eher als Dekorationsstück betrachtet und nicht als Musikinstrument. Es gab einfach niemanden in Iran der Klavier spielen konnte. Das hatte wohl Napoleon außer Acht gelassen.
So kam es, dass dieses Klavier für lange Zeit nicht als Musikinstrument Achtung fand aber als Thron des Königs (Khagans) schöne Katze. Ja, wahrlich saß immer die Katze auf dem Klavier und das gesamte Hof respektierte dies. Was noch dazu führte, dass kaum jemand sich an das Klavier wagte ums es zu Spielen.
Der Königliche Hof-Santur-spieler, Mohammad Sadegh Khan, allerdings wagte sich eines Tages an das Instrument. Er übte sich in den darauf folgenden Jahren ein doch spielte das Instrument eher wie man ein Santur spielen würde.